Veranstaltung: | Wahlprogramm 2021 |
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Status: | Beschluss |
Beschlossen am: | 21.10.2020 |
Eingereicht: | 21.10.2020, 15:35 |
Antragshistorie: | Version 1 |
3.1. Zivilgesellschaft, Bürgerrechte, Rechtsextremismus, Flüchtlingspolitik, Wahlalter
Text
Demokratie und Bürgerbeteiligung
Eine lebendige Demokratie beschränkt sich nicht nur auf das Wahlrecht, auch
zwischen den Wahlen sollen BürgerInnen per Bürgerbegehren und -entscheid über
wichtige kommunalpolitische Sachfragen entscheiden können. Eine bessere
Beteiligung von BürgerInnen an politischen Entscheidungen und planerischen
Großvorhaben ist ein wichtiger Schritt für mehr Akzeptanz. Wir Grünen treten
daher für eine Absenkung des Wahlalters bei Kommunalwahlen auf 16 Jahre sowie
für Erleichterungen bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden ein.
Wir Grünen wollen für einzelne Projekte des Kreises repräsentative Gruppen
zufällig ausgewählter BürgerInnen zur Beratung heranziehen und gezielt
Planungszellen einsetzen.
Auch Verwaltung und Kommunalpolitik müssen offen für neue Formen der
Bürgerbeteiligung bleiben. Alle EinwohnerInnen des MKK sollen ihren Willen in
Empfehlungen an den Kreistag im Rahmen einer Fragestunde vor den
Kreistagssitzungen ausdrücken können.
Um die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger an relevanten
Entscheidungen weiter auszubauen, sind die Möglichkeiten des Internets zu nutzen
und stetig zu erweitern. Ebenso soll das Dienstleistungs- und
Informationsangebot des Kreises weiter ausgebaut und optimiert werden. Hier
sollen alle erdenklichen Formen des E-Governments Anwendung finden. Anträge und
Formulare sollen möglichst schon online ausfüllbar sein.
Um allen BürgerInnen den Zugang zu elektronischen Angeboten zu erleichtern,
wollen wir den Einsatz von kostenlosen Open Source-Lösungen in der Verwaltung
voranbringen. Hier ist auch langfristig auf die entstehenden Kosten zu achten.
Zu persönlichen Behördengängen soll als Alternative ein weites Angebot an
elektronisch verfügbaren Formularen und Informationen weiterentwickelt werden.
Die Digitalisierung der Verwaltung soll weiterentwickelt werden und ein
niederschwelliger Zugang zu digitalen Angeboten soll geschaffen werden.
Der Internetauftritt des Kreises muss eine leicht auffindbare
Feedbackmöglichkeit für die BürgerInnen erhalten. Es sollte möglich sein, direkt
zu dem aufgerufenen Abschnitt Rückmeldung zur Nützlichkeit zu geben. Die Seiten
sollen weiter barrierefrei und mehrsprachig ausgebaut werden und auf
datenschutzrechtlich problematische und proprietäre Elemente verzichten.Außerdem
fordern wir dort, wo es noch nicht geschehen ist, die Umformulierung in eine
gendergerechte Sprache.
Wir unterstützen auch Initiativen zur Bereitstellung eines freien WLAN-Netzes.
Bei allen Fortschritten auf dem Weg in die digitale Gesellschaft müssen aber
auch die Risiken im Blick behalten werden und die BürgerInnen müssen
Schulungsangebote zum gesamten Themenspektrum erhalten. Nur gut informierte
Menschen können das Internet frei und ihrem Willen folgend nutzen –
informationelle Selbstbestimmung ist nicht angeboren, sie muss gelernt werden.
Hier muss bereits in der Schule angesetzt werden. Wir schlagen daher vor, den
MKK zur „Demokratie-Schul-Modellregion“ zu machen und für jede Schulklasse der
Mittelstufe mindestens eine Stunde in der Woche Demokratie- und Medienschulung
zu unterrichten.
Die Videoüberwachung im öffentlichen Raum muss die Ausnahme bleiben, sie muss
kontrolliert und regelmäßig auf ihren Nutzen hin evaluiert werden.
Besonders kommunale Verwaltungen arbeiten mit sensiblen Daten, die geschützt
werden müssen. Insbesondere fordern wir hier, kommunale Rechner nur mit
aktuellen und sicheren Betriebssystemen zu betreiben, idealerweise auf Grundlage
freier und quelloffener Software. Der Internetauftritt unseres Kreises soll
aktuellen Sicherheits- und Datenschutzstandards entsprechen. Ein mittelfristiger
Umstieg auf Linux als Betriebssystem sowie quelloffene Software soll geprüft
werden.
Wir wollen den BürgerInnen ermöglichen, sicher per E-Mail mit ihrer Verwaltung
zu kommunizieren. Die E-Mail-Verschlüsselung muss höchstmöglichen, transparenten
und kontrollierbaren Standards entsprechen. So wie beim Briefgeheimnis dürfen
nur Absender und Adressat wissen, was in der E-Mail steht.
IT-Sicherheit für den Main-Kinzig-Kreis
Wir leben in einer Zeit, in der Kriege und Kriminalität längst auch im Internet
stattfinden. Es ist unsere Aufgabe, die Verwaltung und auch die BürgerInnen
bestmöglich zu schützen. Daher fordern wir ein aktualisiertes IT-
Sicherheitskonzept für unsere Kreisverwaltung. Mit einem transparent
dokumentierten und durch BürgerInnen und MandatsträgerInnen kontrollier- und
verbesserbaren IT-Sicherheitskonzept wollen wir uns vor Gefahren schützen.
Wir wollen das IT-Sicherheitskonzept auch zum Anlass nehmen, den Datenschutz der
BürgerInnen und Angestellten zu verbessern.
Open Data – Daten zurückgeben!
Daten sind wirtschaftliche Ressource und notwendiges Element demokratischer
Teilhabe zugleich. Wir wollen die Daten (ohne Personenbezug) öffentlich
zugänglich machen, die mit öffentlichen Mitteln gesammelt wurden. In Städten wie
Wien und London wird Open Data bereits als Erfolgsmodell praktiziert und ist ein
wertvoller Standortfaktor. Informationsfreiheit ist für uns auch ein Grundrecht.
Wir fordern deshalb eine Informationsfreiheitssatzung für den Kreis.
Rassismus und Extremismus: Nein danke!
Jeder Mensch hat das Recht, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht,
sexueller Orientierung oder Konfession, am alltäglichen Leben ohne
Benachteiligung, Diskriminierung und Rassismus teilnehmen zu können. Demokratie
kann erst dadurch gelingen, wenn die komplette Gesellschaft repräsentiert wird.
Wir Grünen stellen uns klar gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Dies
schließt eine Kooperation mit rechten Parteien entschieden aus.
Rassismus muss institutionell und strukturell bekämpft werden. Dies geschieht
durch die Förderung der Diversität in der Verwaltung und den kreiseigenen
Betrieben. Unterstützt werden soll dies durch die Einführung eines/einer
Antidiskriminierungsbeauftragten. Diese/r soll sich unter anderem auch dem Thema
„Mehrfachdiskriminierung“ annehmen. Entsprechende Arbeitsprogramme sollen von
dem/der Beauftragten erarbeitet werden.
Wir fordern, dass der MKK ein Konzept erarbeitet, um die Sicherheit für
besonders gefährdete Orte im Kreis (beispielsweise Moscheen, Synagogen) zu
erhöhen. Dies soll in Zusammenarbeit unter anderem mit dem Polizeipräsidium
Südosthessen und den jeweiligen VertreterInnen der zu schützenden Orte
geschehen.
Geflüchtete Menschen müssen menschenwürdig untergebracht werden. Der MKK hat
hier Sorge zu tragen, dass die Schlüsselzuweisungen an die Kommunen dafür
ausreichen. Gleichzeitig fordern wir, dass der MKK der Initiative „Sichere
Häfen“ beitritt. Dies wurde von den Parteien in der vergangenen Wahlperiode
abgelehnt.
Wir fordern und fördern eine Gedenkkultur im MKK. Wir sind uns der schrecklichen
und menschenverachtenden Taten der NS-Zeit bewusst und fördern einen offenen
Umgang mit dieser Zeit in den Schulen des Kreises. Auch der Anschlag von Hanau
darf nicht vergessen werden.
Rassismus tötet - jeden Tag und auf der ganzen Welt, leider auch vor unserer
Haustür. Nach dem versuchten Mord in Wächtersbach im letzten Jahr an einem
Eritreer, hat ein Attentäter in Hanau am 19. Februar 2020 neun Menschen aus
rechtsextremistischen Motiven erschossen. Für die Angehörigen, die Überlebenden,
die Augen- und Ohrenzeugen sind noch viele Fragen offen. Wir unterstützen ihre
Forderungen nach lückenloser Aufklärung des Tathergangs und der Fahndung in der
Tatnacht sowie ihren Wunsch nach einer angemessenen Gedenkstätte in der Mitte
der Stadt.
Wir als Grüne hinterfragen kritisch koloniale Straßennamen. Sklaverei und Mord
sollen keine Beweggründe sein, auf einem Straßennamen verewigt zu werden. Wir
fordern deswegen die Abschaffung von kolonialen Straßennamen sowie deren
Umbenennung.
Einen weiteren Baustein für aktive und gelebte Demokratie bildet das
Landesprogramm „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“. Es setzt
mit seinen Programmen ein Signal für Extremismusprävention und bietet
professionelle und kostenlose Beratung für Personen oder Institutionen an, die
von Rechtsextremismus, Rassismus oder Antisemitismus betroffen sind. Darüber
hinaus wollen wir mit dem MKK am Bundesprogramm „Demokratie leben!“ teilnehmen,
was wir bereits 2018 beantragt haben. Insbesondere nach den Anschlägen von
Wächtersbach und Hanau ist klar, dass wir auch hier vor Ort ein wachsendes
Problem mit Extremismus und Rassismus haben und hier gegensteuern müssen. Der
MKK muss daher auch in die kleineren Gemeinden im ländlichen Raum mit
entsprechenden Angeboten und Veranstaltungen gehen, um dort gegen
Rechtsextremismus, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu
wirken.
Der MKK muss außerdem bei der Erfassung von Waffenbesitzkarten, Waffen und
Sprengstoffen eng mit den Kommunen zusammenarbeiten, um zu verhindern, dass
Extremisten sich Waffen beschaffen können. Es ist ein/e Waffenbeauftragte/r zu
benennen, die/der in den Gemeinden, insbesondere in Schützenvereinen, aktiv
auftritt und klar macht, dass Waffen in den Händen von Extremisten und Rassisten
nichts zu suchen haben und dass „Wegsehen“ auch für Vereinsmitglieder nicht
akzeptabel ist. Die Sicherheit aller BürgerInnen ist höchstes Gut und es ist
unsere gemeinsame Aufgabe, jeden Hinweis auf extremistische Umtriebe ernst zu
nehmen und Auffälligkeiten nachzugehen.